Weltgeld – Hutgut

Heine II


2024-07-14

Tag 11 – nach Wernigerode

Heinrich 1824, in den „Bruchstücken“:
Das dortige Schloß [in Wernigerode], ein großes, hohes grauweißes Viereck mit einem Anhang von vielen kleinen Gebäuden, nichts weniger als geschmackvoll und regelmäßig, und gleichsam nur des Bedürfnisses wegen leicht hingestelt, erscheint aber eben deßhalb um so wöhnlicher und gemüthlicher, und wenn man es zuerst erblick<t>, wie <es> von seinem Berge, nicht zu hoch und nicht zu niedrig so recht ernstfreundlich und wohlmeinend die Stadt überragt, so
macht es einen ganz eignen, stillfreudigen Eindruck. 
In der Stadt selbst sah es sehr festlich aus, die Häuser waren mit großen Eichenkränzen behängt, die Leute trugen ihre besten bunten Kleider, und schauten so ehrerbietig heiter,
und wenn nicht aus ihren Mienen so etwas gar vergnügt politisch-heimliches herausgekukt hätte, so würde ich geglaubt haben ich sey wieder in ein niederrheinisches Städtchen versetzt, an einem schönen Palmsonntag. Die geputzte, dicke Frau Wirthinn zum Baeren, die uns Bier brachte, schien sich in ihrem Fette ganz besonders seelig zu fühlen, und konnte sich nicht genug verwundern wie wir es gar wüßten daß heute die langerwar<te>ten genädigen Herrn
Grafen nach dem Schlosse zurückgekommen wären, und ergoß sich in einer weitläuftigen Beschreibung aller stattgefundenen Feyerlichkeiten, Blumenkränze, Reden, Ehrenbogen, Rühr<un>g, Musik u.s.w. Wären meine Lands-
leute nicht so eilig gewesen so stände ich vielleicht noch jetzt bey der guten Dicken und ließe mir die Wernigroder Feyerlichkeiten erzählen. Wird doch mein Herz überall bewegt durch den Anblick anhänglicher Unterthanstreue, und von so einem vergnügten Harznestchen, das mit povern Feyerlichkeiten die Ankunft seiner mediatisirten Sedezherren verherrlichen will, wird mein Herz wohl nicht minder bewegt als von einer leuchtenden Kaiserstadt mit ihrem jauchzenden Kaiserfest. Doch, ich gesteh es, mein Herz pochte eben-
falls, und vielleicht eben so stark, als ich vorig Jahr im Seebad Ritzebüttel, zusah wie die dortigen hanseatisch freyen Bürger die Ankunft ihres frühern Amtmanns, des Senator Abendroth, und ihres hamburger Bürgermeisters, Bartels, so würdig und mit selbstbewuster Würde feyerten. Ich erinnere mich,
gleichsam ohne Verabred<un>g waren am Abend alle Häuser illuminirt, und die Einwohner standen davor in ihren Sonntagskleidern, und wie die wackern hochweisen Herrn anspruchslos und kordial grüßend vorbey gingen zogen sie alle ehrfurchtvoll freudig die Hüthe und Mützen, und blickten mit besonders herzlicher Liebe auf ihren vorigen Amtman, der so lange Jahre treu und fleißig für sie gesorgt, und ihren Wohlstand geschützt und weidlich befördert. Ich habe viele große Illuminazionen gesehen, aber alle mit ihren
Transparenten Pechkränzen, Flammenaltären, und Feuerspektakel, haben mich nicht so tief angesprochen wie die ruhigen, bürgerlichen Lichtchen von Ritzebüttel. –
Im Wernigroder Schloß soll manches Bemerkenswerthe zu sehen seyn; aber wären wir an diesem Tage hinaufgestiegen, so hätte man wahrhaftig glauben können wir wollten die Herren Grafen sehen. Wir gingen deßhalb gleich weiter nach Elbingrode.

ThomasMB - 09:40:15 | 2 Kommentare

  1. ThomasMB

    2024-07-14

    Ja, der Marsch von Ilsenburg nach Wernigerode, wird mir ewig in Erinnerung bleiben. Es war die verwirrendste Wegführung, wodurch ich mich ein paar Mal verlaufen habe; auch regnete es in Strömen und außerdem blitzte und donnerte es, was in einem doch die Angst vor einem Blitzschlag hervorruft. Weil ich zu stark aufgestiegen bin, entschloss ich mich ins Tal hinabzusteigen und den direkten Fußweg nach Wernigerode zu nehmen. Zufälligerweise stieß ich auf einen schönen Wiesenweg und erreichte dann doch bei strahlenden Sonnenschein den Ortsrand von Wernigerode.
    Wernigerode ist im Vergleich zu den anderen Harzstädten, die ich besucht habe, ein Hotspot, in mehrfacher Hinsicht: es ist Universitätsstadt und ein touristischer Magnet. Da ich am Freitag in Wernigerode ankam, überschwemmten mich fast die Touristenströme. Das Wetter war hervorragend. Die Sonne schien, es war lau und auf dem Wernigeroder Marktplatz konnte man sich bei verschiedenen Musiken hervorragend bei einem Eis oder einfach nur da sitzend und Menschen schauend entspannen. Es war ein Glücksgriff, dort in der Pension Rohrbeck nächtigen zu können. Sie liegt 3 Minuten vom Marktplatz entfernt in der Unterengengasse. Die Betreiberin Frau Rohrbeck hat 1985 begonnen, also noch zu DDR Zeiten, die Pension zu renovieren und für sich auszubauen. Leider findet sie niemanden, der sie jetzt übernehmen möchte! Ich habe den Aufenthalt in Wernigerode also in bester Erinnerung; den Weg dahin allerdings nicht.

  2. Klaus

    2024-07-14

    Werter Wanderer,
    Es erfüllt mich mit großer Freude zu hören, dass Ihr die Strapazen Eures Weges und die Unbilden des Wetters wohlbehalten überstanden habt und in Wernigerode eine wohlverdiente, ruhige Nacht in einer gemütlichen Pension genießen konntet.
    Es ist zudem wunderbar, dass Ihr durch Eure fleißigen Recherchen doch noch einige Aufzeichnungen von Heinrich I. über die letzten Etappen seiner Reise durch den Harz ans Licht gebracht habt und diese nun mit Euren Erlebnissen abzugleichen in der Lage seid.
    Mit freundlichen Grüßen,
    Euer Wegbegleiter

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