2024-07-12
Tag 10 – in Ilsenburg
Nach Recherche in der DHA doch Heinrich 1824:
Als ich, nach dem Herabsteigen vom Ilsenstein, zu Ilsenburg ankam, und im schönen Garten des dortigen Wirthshauses, zur rothen Forelle genannt, recht gut und in guter Gesellschaft zu Mittag speiste, und die Sonne in meinem goldnen Rheinwein ihre lieblichsten Stralen spiegelte, da trank ich die Gesundheit des Juden ……. der zu …… das Kreuz aufgefunden, dasselbe der griechischen Kaiserin Helena mittheilte, und auf diese Weise jene Kreuzverehrung veranlaßte, ohne welche nie ein Kreuz auf den Ilsen-
stein gesetzt worden wäre, und mein bester Freund, nemlich Ich, den Hals gebrochen hätte. Wer mirs nicht glauben will daß man einen Juden die Auffindung des Kreuzes und die Entstehung des Kreuzdienstes verdankt, der kann es nachlesen…..
Was verdankt man nicht alles den Juden! Daß man ihnen das Christenthum selbst verdankt, will ich nicht erwähnen, da noch wenig Gebrauch davon gemacht worden ist. Aber die Erfindung der Wechsel, des Agio und des Kreuzes! Ist man ihnen nicht den grösten Dank schuldig? Und doch will ihr
deutsches Stiefvaterland ihnen nicht mahl gewähren statt des Handels mit alten Hosen auch mahl zur Abwechslung königlich preußische Referendaren oder Advokaten zu werden! Der Jude …. soll leben! Die Kaiserin Helena soll leben! Das Kreuz auf dem Ilsenstein soll leben!
Ich will es sogar gelegentlich auf kalderonische [romantische] Weise besingen. Die Suppe in Ilsenburg war vortrefflich! Der Wein war vortrefflich! Und vortrefflich! in der duftenden Rosenlaube saß eine junge Schöne in Lesen vertieft,
anmuthig gebeugt, die goldnen Ringellocken wallten herab über das Gesicht, und als sie erröthend aufblickte – welches Gesicht! Welches Auge! Der Engel der die goldne Schale, worin das Feuer der Liebe lodert, von einem Stern zum andern trägt, hat gewiß durch Verschütten einen Lichttropfen fallen lassen
in dieses Auge! Als ich näher kam stand sie auf, das schneeweiße Kleid umfloß verrätherisch die harmonischen Glieder, an Gestalt und Grazie schien sie eine Göttinn. Aber zum Unglück fand ich daß meine Göttinn eben in einem
Claurenschen [Heinrich Clauren, zeitgenöss. Trivialautor] Romane gelesen – und in demselben Augenblick war mir als röche die Rosenlaube nach Tabak, Schnaps und Käse, und als hätte ich heimlich bemerkt meine Göttinn trage ein <Pa>ar schmutzige, gelblederne Postillionshosen.
I l s e n b u r g
Ein schönes patriotisches Lied singend zogen wir durch das heitre Ilsenburg und kehrten ein in der rothen Forelle. Bey diesem guten Wirthshause, das für Rechnung des Grafen Wernigrode administrirt wird, ist ein herrlicher
Garten, wo ich liebliche Mädchengesichter und schöne Blumen sah, und mit einigen Hallensern zu Mittag aß und wirklich gute Suppe und guten Wein genoß und des umklammerten Kreuzes gedachte dem ich diese Genüsse verdankte, und hoffentlich in der Folge noch mehrere verdanken werde. Das
Ilsenburger Schloß, ein hohes graues uraltes Gebäude aus der sächsischen Kaiserzeit dient jetzt zu einer Salpetersiederey. Die Hallenser verließen uns hier und mit meinen Landsleuten wanderte ich weiter nach Wernigrode.
ThomasMB - 09:16:21 | 2 Kommentare